Am Ende siegte die Bling-Bling-Politik

Baschi Dürr: abgewählt. Rotgrüne Mehrheit: weg. Stattdessen wählt Basel-Stadt mit Stephanie Eymann und Esther Keller zwei Kandidatinnen, die gut reden, aber wenig Inhalte präsentieren. Und wenn, dann sicher nicht für die Armen. Eine Analyse.

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(Bild: Ina Bullwinkel)

Jetzt ist sie weg: Die rotgrüne Mehrheit. Und zwei Frauen liegen sich vor dem Rathaus in den Armen, Corona hin oder her. Die neu gewählte Stephanie Eymann von der LDP und die GLP-Frau Esther Keller. Sie beide haben den Schritt in die Regierung geschafft – überraschend, hätte man vor vier Wochen noch gesagt. Aber jetzt, nach diesem wilden Wahlkampf, überrascht eigentlich nichts mehr.

Was bedeutet der Wechsel für Basel?

Eins können die zwei frisch gewählten Regierungsrätinnen mit Sicherheit: Eine Gattung machen. Die liberale Stephanie Eymann und die Grünliberale Esther Keller lieben die Bühne und die Bühne liebt sie. Sie können sich so gut verkaufen, dass ihnen während des Wahlkampfs gelungen ist, das Fehlen politischer Inhalte zum Programm zu machen.

Sekundiert von ihren bürgerlichen Mitkandidaten im ersten und zweiten Wahlgang wiederholte Stephanie Eymann immer wieder, nichts werde sich ändern unter bürgerlicher Mehrheit, man setze auf Kontinuität, Stabilität und Führungserfahrung.

Führungserfahrung hat sie auch, als Chefin der Baselbieter Verkehrspolizei. Viel mehr aber nicht. Nicht nur ist sie erst seit einem Jahr wieder zurück in der Stadt, sie hat – es lässt sich fast nicht anders sagen – keine Ahnung von lokaler Politik.

Gewählt wurde sie trotzdem und kostete Wahlbündnispartner Baschi Dürr von der FDP seinen Sitz. Der ist zwar nicht so lockerflockig im Auftritt, dafür klar in seiner Linie: Bei den Demos ist er liberal gegenüber links und rechts und hat in den letzten Jahren Ruhe in die einst konfliktuöse Polizei gebracht.

Und Esther Keller? Wechselt ihre Haltungen wie andere die Socken und verkaufte das als Stärke: «Politik ist nicht schwarz-weiss. Ich bin nicht polemisch, sondern habe ein offenes Ohr und drücke mich differenziert aus.»

Mal ist sie für eine Senkung der Dividendensteuern, dann wieder dagegen. Will zwar kein Bettelverbot, stimmt aber trotzdem dafür. Will zwar beim Kanton sparen, aber weiss nicht genau wo.

Wenn man aber die GLP-Politik im Grossen Rat anschaut, könnte es durchaus sein, dass Keller in Klimafragen mit den linken Regierungsrät*innen mitzieht. So unterstützt sie etwa die Klimagerechtigkeitsinitiative, die fordert, dass Basel-Stadt die Treibhausgasemmissionen bis 2030 auf netto null senkt.

Aber die Basler*innen mit kleinem Portemonnaie, die müssen sich unter der neuen Regentschaft warm anziehen. Wenn es darum ging, die Sozialhilfe zu erhöhen oder einen Mindestlohn einzuführen, stimmte die GLP in der Vergangenheit dagegen. Dafür spricht sich Esther Keller immer wieder dafür aus, den Reichen Sorge zu tragen und Steuern zu senken.

Basel-Stadt wollte es nicht anders, das ist Demokratie.

Fragt sich nur: Wie kann es sein, dass ein Kanton, der als einer der wenigen Ja sagt zur linken Kriegsgeschäfteinitiative, und der in 70 Prozent der Fälle mit rotgrün stimmt, einer Mitte-Regierung zum Durchbruch verhilft?

Das ist, in erster Linie, die Schuld der Grünen.

Und jetzt?

Zuerst das katastrophale Resultat der noch regierenden Präsidentin Elisabeth Ackermann im ersten Wahlgang. Dann das Chaos, das bei den Grünen ausbricht, als Ackermann sich zurückzieht. Die Hals-über-Kopf-Nomination der BastA!-Frau Heidi Mück, die dann folgt: Keine gute Ausgangslage.

Kandidierende, die erst im zweiten Wahlgang antreten, haben es immer schwer. Bei Heidi Mück kam dazu: Die Linke war gespalten. Kaum wurde ihre Kandidatur bekannt, stellten sich einige mehr oder weniger prominente Linke hinter Esther Keller. Das Argument: Heidi Mück sei zu links. Dazu kam, dass die Medien den Boykottaufruf der BDS wieder aufkochten, den Mück vor 14 Jahren unterschrieb. Die BDS steht in der Kritik, antisemitische Positionen unterstützt zu haben.

Nur: Rot-grün hatte niemand anderen. Die Grünen, so erfolgreich sie dank der grünen Welle im Grossen Rat abschnitten, haben die Personalpolitik in den letzten Jahren verschlafen. Also musste die BastA! ran.

Doch die Wähler*innen wollten es anders: Sie wählten die Grünliberale Esther Keller.

Auf bürgerlicher Seite bestätigte sich der Trend der Grossratswahlen mit der LDP als stärkste bürgerliche Partei und der FDP als Verliererin, sie verlor drei Sitze.

Vielleicht hat Basel-Stadt einfach genug von «Knuschtis». Von Politiker*innen, denen bei Smalltalk (Baschi Dürr) oder denen vor laufender Kamera (Elisabeth Ackermann, Guy Morin) sichtlich unwohl ist. Vielleicht wollten sie endlich mal Kandidat*innen, die gut sind im sich verkaufen. Die haben wir jetzt. Bleibt zu hoffen, dass die Inhalte in den nächsten vier Jahre noch kommen.

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Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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