Höhere Prämienverbilligungen statt tiefere Steuern

Im März stimmt Basel-Stadt über tiefere Steuern ab. Basta, Grüne und Juso präsentieren Alternativvorschläge, die vor allem Menschen mit wenig Geld entlasten sollen.

Das Referendungskomitee präsentiert den Gegenvorschlag zum Steuerpaket im Februar 2023
Sagen Nein zum Steuerpaket: Harald Friedl (Grüne), Deniz Killi (VPOD/PdAS Basel), Nino Russano (JUSO), Sina Deiss (BastA!) und Fina Girard (jgb). (Bild: Michelle Isler)

Am 12. März stimmt Basel-Stadt über ein grosses Steuerpaket ab. Kernpunkte dabei sind eine Senkung der Einkommens- und Vermögenssteuern sowie höhere Abzüge bei den Krankenkassenprämien, beim Sozialabzug und für die Kinderbetreuung.

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Und was bedeutet das für mich?

Bajour hat einen interaktiven Steuerrechner, der die alten und neuen Maximalabzüge und -steuersätze vergleicht. Die Formeln sind in der Gesetzesvorlage enthalten und die Resultate entsprechen den Berechnungen des Finanzdepartements. Noch nicht berücksichtigt sind die Auswirkungen des Gegenentwurfs des Referendum-Komitees. Diese baut Bajour nächstens auch noch ein.

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Alle bürgerlichen Parteien sowie die SP unterstützen diesen Kompromiss der sozialdemokratischen Finanzdirektorin Tanja Soland  (einige Genoss*innen mit Zähneknirschen). Doch schon während der Debatte im Grossen Rat regte sich Widerstand von Links: Grüne, BastA! sowie Juso und das Junge grüne Bündnis ergriffen das Referendum. Heute Vormittag haben sie einen Gegenvorschlag präsentiert. Diesen wollen sie im Grossen Rat einbringen, sollte die Bevölkerung das Steuerpaket am 12.März ablehnen.

Hauptkritik der Opposition: «Im Endeffekt profitieren nur die Reichen vom Steuerpaket», sagt Sina Deiss, Co-Präsidentin der Basta. Der Grund: Das Paket richtet sich nur an Menschen, die im Kanton Steuern zahlen. Im Umkehrschluss haben alle Menschen, deren Einkommen so klein ist, dass sie gar keine Steuern zahlen müssen, nichts vom Paket. Deiss: «Sie sind gleichzeitig auch diejenigen Menschen, die am meisten darunter leiden werden, wenn der Kanton aufgrund der fehlenden Steuereinnahmen weniger Geld für soziale, kulturelle und sonstige Angebote hat.» Solche Steuerpakete seien deshalb verantwortungslos und unsolidarisch.

Ein Dorn im Auge ist dem Referendumskomitee, dass mit dem Steuerpaket auch Vermögende im Kanton von Steuerabzügen profitieren. «Dieses Steuerpaket will die Steuern für Topverdiener*innen und Vermögende ebenfalls im Umfang von über 20 Millionen Franken senken», sagte Juso-Präsident Nino Russano an der Pressekonferenz. «Dagegen wehren wir uns, weil wir keine Aushebelung der Topverdienersteuer-Initiative wollen und die Senkung der Vermögenssteuern in Zeiten von zunehmender Ungleichheit absolut fehl am Platz ist.»

Der Gegenvorschlag fällt vor allem durch drei  Punkte auf. Das Referendumskomitee will:

  • den Kinderdrittbetreuungsabzug streichen
  • Prämienverbilligungen erhöhen
  • Mietzinszuschüsse an Familien zahlen, die sich keine Wohnung leisten können
«Wir sind der Meinung, dass Kinderbetreuung eine gesellschaftliche Aufgabe ist.»
Harald Friedl, Grüne

Zum ersten Punkt: Das Referendumskomitee argumentiert, die im Steuerpaket vorgesehene Erhöhung dies Drittbetreuungsabzugs für Kinder würde vor allem den Wohlhabenden zu Gute kommen. «Wir sind der Meinung, dass Kinderbetreuung eine gesellschaftliche Aufgabe ist», erklärte Grüne-Grossrat Harald Friedl an der Pressekonferenz. Das Referendumskomitee will sich deshalb für die Kita-Initiative der SP stark machen und die Erhöhung des Drittbetreuungsabzugs streichen.

Die Kita-Initiative will Gratiskitaplätze an mindestens zwei Tagen pro Woche schaffen - unabhängig davon, ob beide Elternteile arbeiten. Besonders Doppelverdiener-Paare müssen heute abwägen, ob es sich finanziell lohnt, die Kinder in die Kita zu schicken. Häufig wird das zweite Einkommen von den Kinderbetreuungskosten gefressen. Genau dieses Problem will Tanja Soland mit ihrem Steuerpaket und dem Kinderdrittbetreuungsabzug (der auf einem FDP-Vorstoss basiert) lösen. 

Beim Gegenvorschlag zum Steuerpaket stellt sich deshalb die Frage: Was ist mit den Vollzeitarbeitenden, die darauf angewiesen sind, ihre Kinder die ganze Woche in die Kita zu schicken? Gibt es für sie genügend Anreize im Gegenvorschlag, trotzdem arbeiten zu gehen, ohne dass das Zweiteinkommen für die Kitakosten draufgeht?

«Wir sehen die Förderung und Schaffung der Kitaplätze als oberste Prämisse im Kanton. Aber wir finden, es ist der falsche Weg, die Fremdbetreuungskosten abzugsfähig zu machen für diejenigen, die sich das eigentlich leisten können. Es geht uns darum, dass alle Kitaplätze bekommen können. Für uns deshalb der Weg, diese Kitaplätze vom Staat zur Verfügung zu stellen», sagt Friedl.

Und Nino Russano ergänzt: «Die Möglichkeiten, das auf kantonaler Ebene zu beeinflussen, sind begrenzt. Diese Problematik wird national thematisiert mit der Individualbesteuerung. Der grösste Hebel ist dort. Indem wir das Angebot des Service Public in unserem Kanton verbessern, können wir das auch ein Stück weit beeinflussen, aber zum Teil ist diese Besteuerung Bundeskompetenz.»

«Das Steuerpaket wurde geschnürt, um zu entlasten. Die Entlastung bei den unteren Einkommen ist aber minim und rechtfertigt die Entlastung bei den Topverdienenden überhaupt nicht.»
Sina Deiss, BastA!

Zum zweiten Punkt: Der Gegenvorschlag will die Prämienverbilligungen erhöhen. Diese sind notabene im Kanton Basel-Stadt bereits hoch. Diese Erhöhung kommt dann also hauptsächlich denjenigen zugute, die sowieso schon keine Steuern zahlen. Und was ist mit allen anderen? Sind in den Augen des Referendumskomitees alle reich, ausser diejenigen, die keine Steuern zahlen?

Sina Deiss verneint vehement: «Das Steuerpaket wurde geschnürt, um zu entlasten. Die Entlastung bei den unteren Einkommen ist aber minim und rechtfertigt die Entlastung bei den Topverdienenden überhaupt nicht.» Die Kopfprämien bei den Krankenkassen treffen die unteren Einkommen besonders hart. «Da müsste man aus unserer Sicht ansetzen, damit das eine Entlastung ist für alle und nicht für wenige», so Deiss

«Gerade bei den Einkommenstteuersätzen wird ja mit Schwellenbeträgen gearbeitet», ergänzt Nino Russano. «Bis 200’000 Franken nach Tarif A Einzelperson bezahlt man 21,5% Steuern. Ab 200’000 Franken bezahlt man 28%. Wenn man den untersten Steuersatz senkt, kommt das allen zugute, die in diesem Bereich Steuern zahlen. Wenn Sie 180’000 Franken steuerbares Einkommen haben, profitieren Sie genau so stark, eigentlich sogar noch ein bisschen mehr, wie wenn Sie 70’000 Franken steuerbares Einkommen haben. Unser Paket entlastet deshalb alle, und zwar besser und zielgerichteter als das vorliegende Steuerpaket, das beschlossen wurde.»

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