Der Eisbär wünscht sich ein Ja

Der Ausstieg aus fossilen Energien und das Ja zum Klimaschutzgesetz am 18. Juni ist überfällig, findet die Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti in ihrer Kolumne. 

Kolumne
Samira Marti: «Auch wenn wir alle merken, dass die Klimakrise längst in der Schweiz angekommen ist, haben wir nach wie vor viel zu tun, um unsere Treibhausgasemissionen zu reduzieren.» (Bild: zVg)

Vor zwanzig Jahren hing über meinem Kinderbett ein Plakat von Greenpeace. Darauf war ein Eisbär abgebildet, mitten in der Arktis auf einer kleinen Eisscholle stehend, darunter in fetten Buchstaben «Save the Arctic – Stop Shell». Das Wissen darüber, wie schädlich das Verbrennen fossiler Brennstoffe ist, ist älter. Bereits an der ersten UNO-Klimakonferenz 1979 machten 40 Wissenschaftler*innen klar, dass «sofortiges Handeln» notwendig sei. Zehn Jahre später gründeten die Konzerne Shell, Exxon Mobil, General Motors und Ford die «Global Climate Coalition». Sie finanzierten damit Lobbyarbeit und bezahlten Wissenschaftler*innen für Falschaussagen.

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Zur Person

Was haben unsere Vertreter*innen in Bern zu sagen? Im Wahljahr überlassen wir regelmässig unseren nationalen Politiker*innen das Wort. Heute SP-Nationalrätin Samira Marti. Die Vize-Präsidentin der SP-Bundeshausfraktion möchte konkrete Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit finden. Im Zentrum steht für sie eine soziale Schweiz, in der alle Menschen vom wirtschaftlichen Fortschritt profitieren und in Würde leben können. Marti lebt mit ihrem Partner in Binningen, ist in ihrer Freizeit gerne in der Natur unterwegs und geniesst mit Freundi*innen die Gastronomie und die Kultur in der Region Basel.

Das hat sich bis heute nicht geändert. Allein zwischen 2000 und 2016 sind in den USA rund 2 Milliarden Dollar ins Lobbying der Ölkonzerne und anderer klimaschädlicher Branchen geflossen. Fake News gab es also lange vor Trump, auch in der Schweiz. Vor wenigen Wochen hat die SVP mit ihrem Propaganda-Blatt, verteilt an alle Schweizer Haushalte, das neueste Fake-News-Kapitel geschrieben. Für schätzungsweise 1.5 bis drei Millionen Franken verbreitete sie darin ihre Falschaussagen zum neuen Klimaschutzgesetz, über das wir am 18. Juni abstimmen. Einige Tage später folgte der nächste Flyer, notabene ohne Absender (Kostenpunkt: nochmals ca. 1 Million Franken), und vor allem ohne Angaben zur Finanzierung dieser millionenschweren Fake-News-Kampagne. 

Endlich wird’s konkret

 Doch von Anfang an: Was steht denn überhaupt im neuen Klimaschutz-Gesetz?

  • Programm für den Ersatz von alten Öl- und Gasheizungen

  • Finanzielle Unterstützung von Unternehmen bei innovativen Klimaschutz-Massnahmen

  • Ziel Netto Null bis 2050

Vor allem die ersten zwei Punkte sind zentrale Massnahmen für die ökologische Transformation der Schweiz. Denn auch wenn wir alle merken, dass die Klimakrise längst in der Schweiz angekommen ist – häufigere, extrem heisse und trockene Sommer mit Wasserknappheit in Bergregionen, ausgetrocknete Felder in den tieferliegenden Regionen – haben wir nach wie vor viel zu tun, um unsere Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

«Um in der Schweiz beim Klimaschutz voranzukommen, muss man den Ersatz von alten Öl- und Gasheizungen priorisieren.»
Samira Marti, Baselbieter SP-Nationalrätin

Was viele nicht wissen: Knapp ein Viertel der inländischen Treibhausgasemissionen entstehen im Gebäudebereich. Der Grund ist der hohe Verbrauch von fossilen Brennstoffen für Heizungen und Warmwasseraufbereitung in unseren Häusern. Noch immer sind 40 Prozent der Heizungen Ölheizungen, weitere knapp 20 Prozent Gasheizungen.

Um in der Schweiz beim Klimaschutz voranzukommen, muss man deshalb den Ersatz von alten Öl- und Gasheizungen priorisieren. Denn die Gefahr ist gross, dass am Ende der Laufzeit einer fossilen Heizung wieder eine solche installiert wird. Dies weil die Installationskosten (im Gegensatz zu den Betriebskosten) aktuell noch tiefer liegen als bei erneuerbaren Heizungen.

2 Milliarden für erneuerbare Heizungen

Genau darum braucht es in diesem entscheidenden Moment des Heizungsersatzes finanzielle Anreize, um eine alte, dreckige Heizung mit einer erneuerbaren zu ersetzen. Konkret ist dafür ein «Impulsprogramm für Heizungsersatz und Energieeffizienz» vorgesehen. Damit werden Hausbesitzer*innen finanziell unterstützt, wenn sie alte Öl-, Elektro- und Gasheizungen am Ende ihrer Laufzeit durch ein klimafreundliches Heizsystem ersetzen. Der Bund finanziert dieses Impulsprogramm zehn Jahre lang mit 200 Millionen Franken pro Jahr, also insgesamt mit 2 Milliarden Franken.

«Das Klimaschutz-Gesetz ist deshalb so wichtig, weil es nicht nur Ziele definiert, sondern konkret wird.»
Samira Marti, Baselbieter SP-Nationalrätin

Mit diesem Geld können rund 100’000 Heizungen ersetzt werden. Bis 2034 können pro Jahr ungefähr 1 Million Tonnen CO2 eingespart werden. Zum Vergleich: Das ist so viel wie 250’000 Menschen in der Schweiz pro Jahr an CO2-Emissionen verursachen.

Förderung von innovativen Unternehmen

Der zweite Hebel, bei dem das Klimaschutz-Gesetz ansetzt, ist die Industrie. Diese ist für einen Viertel der inländischen Emissionen verantwortlich. Um das Gewerbe bei seinen Bemühungen zu unterstützen und die Dekarbonisierung der Wirtschaft zu fördern, sind zwei Massnahmen vorgesehen: Erstens sollen innovative Technologien finanziell gefördert werden. Zweitens gibt es Unterstützungsmassnahmen für Unternehmen, welche bereits heute so genannte Netto-Null-Fahrpläne ausarbeiten. Dem Bund stehen hierfür 1,2 Milliarden CHF zur Verfügung.

Das Klimaschutz-Gesetz ist deshalb so wichtig, weil es nicht nur Ziele definiert, sondern konkret wird: Seit Jahrzehnten wissen wir, dass wir für einen wirksamen Klimaschutz aus den fossilen Brennstoffen aussteigen müssen. Am 18. Juni geht es darum, dass wir die Bevölkerung und die Wirtschaft dabei unterstützen. Dazu kann man nicht Nein sagen – ausser man ist Öllobbyist*in, daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

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