Warum sagten Sie «Ja» zum Bettelverbot, Esther Keller?

Der Grosse Rat erwägt, das Betteln wieder zu verbieten. Er hat eine Motion der SVP überwiesen. Mit im Boot: Die Grünliberalen. Warum nur?

Esther Keller
Esther Keller will die «polemische Debatte» über das Betteln beruhigen. (Bild: Xenia Zezzi/ Michael Fritschi / Illustration: Bajour)

Am Mittwoch überwies der Grosse Rat eine Motion von SVP-Grossrat Joel Thüring. Er fordert die Regierung auf, das Bettelverbot wieder einzuführen. Den Ausschlag für das Ja gaben die drei GLP-Stimmen: Die Abstimmung endete 48 gegen 45 Stimmen für die Motion. Wir haben Regierungskandidatin und Grossrätin Esther Keller gefragt, was sie sich dabei gedacht hat. 

Warum haben Sie das Bettelverbot der SVP mitüberwiesen?

Esther Keller: Es muss etwas passieren. Grosse Teile der Bevölkerung empfinden das Betteln als unangenehm. Aber wir von der GLP sind nicht einfach nur für Repression. Polizeidirektor Baschi Dürr (FDP) hat uns in der Ratsdebatte versichert, dass er konstruktive Lösungen für das Problem mit dem Betteln sucht.

Was für konstruktive Lösungen?

Wir von der GLP haben bereits einen Anzug eingereicht, in dem wir fordern, dass die Regierung sich am Berner Modell orientiert. Bern hat das Bettelproblem über das Ausländergesetz, über Gespräche mit den Bettler*innen und mit Zusammenarbeit mit den Behörden ihrer Herkunftsländer gelöst. Auch im Ausland gibt es Lösungen: In einigen Ländern ist beispielsweise das aggressive Betteln verboten. Das heisst, dass Bettler*innen nicht Minuten lang neben einem Tisch stehen bleiben dürfen oder Leute beschimpfen, die ihnen nichts geben, so wie das Basler*innen immer wieder erleben müssen.

Jetzt bin ich verwirrt: Sie wollen konstruktive Lösungen statt Repression, stimmen aber der Bettelverbots-Motion zu. Macht das Sinn?

Wir von der GLP können uns ja nicht sicher sein, dass unser Anzug durchkommt. Deshalb haben wir dem Bettelverbot zugestimmt. Aber damit ist noch nichts entschieden: Wenn der Regierungsrat seine Vorschläge präsentiert, stimmen wir nochmals ab. Und die GLP stimmt einem Verbot nur zu, wenn der Vorschlag konstruktive Lösungen enthält. Mit einer Erstüberweisung vergeben wir uns nichts, wir können das Bettelverbot immer noch ablehnen.

Hesch uns 40 Stutz?

Beziehen Sie bitte Stellung: Wollen Sie nun ein Bettelverbot oder nicht?

Ich will, dass die Situation besser wird. Aber ich hätte lieber kein Verbot, wir sollten unsere Augen nicht vor der Armut verschliessen. Es ist wie bei der Suchtproblematik: Mit Verboten allein verbessert sich die Lage nicht, es braucht pragmatische Lösungen und zwar mehr als eine.

Hand aufs Herz: War Ihr Ja zum Bettelverbot einfach Symbolpolitik vor den Wahlen, um die SVP zu  beruhigen?

Nein. Es ist ein pragmatischer Weg und hat mit den Wahlen nichts zu tun. Denn seien wir ehrlich: Hätte der Grosse Rat das Bettelverbot abgelehnt, hätte die SVP eine Initiative lanciert. Und was wäre passiert? Die Initiative hätte die polemische Debatte weiter befeuert und eine lösungsorientierte Debatte verhindert. Mit der Motion aber beruhigen wir die Gemüter und ebnen den Weg für eine ruhige, sachliche Diskussion.

Gab es diese sachlichen Diskussionen wirklich nicht? SP-Präsident Pascal Pfister forderte in der «BaZ» auch konstruktive Lösungen.

Ja, und es gab auch eine Interpellation der SP. Aber es fehlt an konkreten Lösungsvorschlägen und verbindlichen Vorstössen. Wir von der GLP waren die einzigen, die einen entsprechenden Anzug formulierten.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Schweizer Radio und Fernsehen (Studio Zuerich Leutschenbach) spiegelt sich in einer Hausfassade am Sonntag, 11. Oktober 2020, in Zuerich.

Valerie Zaslawski am 21. November 2023

Das wird kein Spaziergang für Rösti

Die SRG müsste 900 Stellen sparen, wenn die Abbaupläne von Medienminister Albert Rösti umgesetzt würden. Unsere Leser*innen sind jedoch klar der Meinung, es brauche mehr, nicht weniger Service Public. Ansonsten sei die Demokratie in Gefahr.

Weiterlesen
Nicht benannt-2

Ina Bullwinkel am 20. November 2023

Wie sieht eine richtige Gesinnung aus?

Wenn einige Sätze in einem offenen Brief bereits als gesetzte Meinung eingestuft werden und auf ihnen basierend die Karriere einer Person infrage gestellt wird, ist das ein Armutszeugnis der demokratischen Debatte. Ein Kurzkommentar von Bajour-Co-Chefredaktorin Ina Bullwinkel zur Kontroverse um Mohamed Almusibli

Weiterlesen
Mohamed Almusibli

Andrea Fopp,Valerie Wendenburg am 17. November 2023

Künstler*innen sorgen sich um Meinungsfreiheit

Nach der Berichterstattung über den designierten Direktor der Kunsthalle haben über 2000 Künstler*innen einen Solidaritätsbrief unterschrieben. Sie sorgen sich um die Meinungsfreiheit. Und Arbeitsrechtler Thomas Geiser stuft die Aussagen von Regierungspräsident Beat Jans als «heikel» ein.

Weiterlesen
Freie Strasse

Eva Biland am 16. November 2023

Wie Basel vor Netto-Null nochmals so richtig über die Stränge schlägt

Für den Basler Stadtlauf werden die Baustellen in der Freien Strasse geräumt und die Gräben mit Asphalt geschlossen. Für einen gut vierstündigen Sportanlass eine Grossbaustelle provisorisch zu schliessen und sich gleichzeitig Klimastadt zu nennen, findet unsere Kolumnistin Eva Biland heuchlerisch.

Weiterlesen
Foto Pino Covino

<a href="https://www.trust-j.org/30003" target="_blank"><img src="https://www.trust-j.org/fileadmin/templates/layout/img/trustj-logo.png" width="150" /></a>

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

Kommentare