Diesen Parteien gehört Basel (oder zumindest ein Teil davon)

Punkto Wohnen geht ein Graben durchs Parlament: Die Linke macht unter dem Strich Politik für die Mieter*innen, die Bürgerliche setzt sich für Interessen von Immobilienbesitzer*innen ein. Entspricht das auch den realen Besitzverhältnissen der Grossrats-Fraktionen? Wir haben nachgeschaut.

Wenn es ums Wohnen geht im Grossen Rat, dann fliegen gewöhnlich die Fetzen: Rotgrün, angeführt von der Geschäftsführung des Mieter*innenverbands (Patrizia Bernasconi, Beat Leuthardt), sind selten einer Meinung mit den Bürgerlichen, die den Geschäftsführer des Hauseigentümerverbands (Andreas Zappalà) in ihren Reihen wissen.

Doch wie steht es tatsächlich um den Immobilienbesitz im Basler Kantonsparlament? Entspricht der Besitzstand auch der politischen Haltung? Und repräsentiert das Parlament punkto Häuserbesitz auch die Bevölkerung, der es dient? Wir haben in unserer «Wem gehört Basel»-Datenbank nachgeschaut.

Als erstes zeigt sich: Grossrät*innen sämtlicher Fraktionen besitzen offenbar durchschnittlich mehr Liegenschaften als der Rest der Bevölkerung – auch wenn das gar nicht so einfach zu berechnen ist.

Gemäss Bundesamt für Statistik beträgt die Wohneigentumsquote in Basel-Stadt 15,4 Prozent. Im Vergleich zu anderen Kantonen ist das ein tiefer Wert. Im Baselbiet zum Beispiel weist die Statistik 44,1 Prozent aus. 

Für den Grossen Rat würde das bedeuten, dass 15 Prozent in ihren eigenen vier Wänden wohnen würden – der «Wem gehört Basel»-Datensatz umfasst aber 28 Immobilienbesitzer*innen unter den Basler Grossrät*innen. Eine andere Berechnungsmethode (in der Box im Detail erläutert) kommt sogar auf eine fünffache Übervertretung von Menschen mit Wohneigentum.

So haben wir recherchiert

«Wem gehört Basel?», hat Bajour im Februar gefragt. Über tausend Personen haben mitgeholfen und über 25'000 Abfragen beim Grundbuchamt getätigt. Deshalb wissen wir nun bei jedem einzelnen Haus, wem es gehört.

Allerdings geben wir den Privatbesitz einzelner Politiker*innen nicht preis. Es geht uns auch nicht um Einzelpersonen, sondern um die groben Linien. Auf den Karten sind die Standorte der Liegenschaften deshalb künstlich um einige Strassenzüge verschoben.

Und so haben wir versucht, die Übervertretung zu beziffern: Gemäss der «Wem gehört Basel»-Datenbank befinden sich 11'300 Gebäude in Privatbesitz. Wären sie gleichmässig über die 200'000 Einwohner*innen verteilt, besässe jede 20. Person eine Immobilie.

Im 100-köpfigen Grossen Rat sollten demnach statistisch gesehen fünf Immobilienbesitzer*innen vertreten sein, es sind jedoch 28 – fünf Mal mehr als der statistische Durchschnitt ergibt.

Bei diesen Berechnungen zeigen sich grössere Unterschiede zwischen den Parteien. Der grösste: Ein*e durchschnittliche*r LDP-Politiker*in besitzt 3,53¹ Wohnungen. Das sind mehr als die acht GLP-Mitglieder im Grossen Rat zusammen.

Oder anders gesagt: Von den 22 FDP- und LDP-Politiker*innen im Grossen Rat besitzen elf Immobilien in der Stadt. Unter den 48 Mitgliedern von Rotgrün sind sechs als private Eigentümer im Grundbuch aufgeführt.

Von einem gewissen öffentlichen Interesse ist auch die Verteilung der Immobilien auf dem Stadtgebiet. Die «Wem gehört Basel»-Daten zeigen: Die Häuser der Grossrät*innen aller Parteien befinden sich hauptsächlich in sozioökonomisch starken Quartieren; am beliebtesten sind St. Alban, Wettstein, Bachletten. Dort besitzen Grossrät*innen über fünf Wohnungen pro 10'000 Quartierbewohner*innen. Dagegen gibt es keinen einzigen Eintrag an den sozioökonomisch schwachen Stadträndern (Breite, Kleinhüningen, Klybeck). 

¹ In einer ersten Version stand im Lauftext, die LDP würde 3,9 Wohnungen pro Fraktionsmitglied besitzen. Die Zahl war falsch, es sind 3,53.

Inspiration / Projektteam

«Wem gehört Basel?» ist inspiriert vom Schwarm-Rechercheprojekt "Wem gehört die Stadt?" des Recherchezentrums Correctiv aus Deutschland. Zudem durften wir Teile des Python-Codes zur Datenauswertung von unserem Partnermedium tsri.ch übernehmen – ❤️ dafür. Und das Webtool, mit dem die Bajour-Crowd Besitzer*innendaten sammelt, basiert auf Open Source Code, unter anderem von vue.js / nuxt.jsexpress.js in Verbindung mit node.js sowie der Hosting-Magie von Netlify.

Für Bajour an der Umsetzung beteiligt waren: Romina Loliva, Manuela Paganini, Silvan Hahn, Samuel Hufschmid, das ganze Bajour-Team und über 150 freiwillige Crowdsourcer*innen - hier findets du das ganze «wem gehört Basel»-Team.

Einen Einblick ins Projekt geben dir unsere Werkstatt-Gespräche auf Youtube.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Fenster stehen zur Installation an der Hauswand eines Mehrfamilienhauses, fotografiert am 21. Februar 2021 in Zuerich-Altstetten. (KEYSTONE/Petra Orosz)

David Rutschmann am 29. Juli 2024

«Mit weniger Wohnfläche wäre die 10-Millionen-Schweiz kein Problem»

Der Wohnflächenverbrauch in der Schweiz steigt seit 40 Jahren. Das braucht Platz und Energie. Die Politik scheut sich noch, in ihren Klimaplänen entsprechende Vorgaben zu weniger Flächenkonsum zu machen. Doch Ideen gibt es bereits.

Weiterlesen
Schweizer Radio und Fernsehen (Studio Zuerich Leutschenbach) spiegelt sich in einer Hausfassade am Sonntag, 11. Oktober 2020, in Zuerich.

Valerie Zaslawski am 21. November 2023

Das wird kein Spaziergang für Rösti

Die SRG müsste 900 Stellen sparen, wenn die Abbaupläne von Medienminister Albert Rösti umgesetzt würden. Unsere Leser*innen sind jedoch klar der Meinung, es brauche mehr, nicht weniger Service Public. Ansonsten sei die Demokratie in Gefahr.

Weiterlesen
Nicht benannt-2

Ina Bullwinkel am 20. November 2023

Wie sieht eine richtige Gesinnung aus?

Wenn einige Sätze in einem offenen Brief bereits als gesetzte Meinung eingestuft werden und auf ihnen basierend die Karriere einer Person infrage gestellt wird, ist das ein Armutszeugnis der demokratischen Debatte. Ein Kurzkommentar von Bajour-Co-Chefredaktorin Ina Bullwinkel zur Kontroverse um Mohamed Almusibli

Weiterlesen
Mohamed Almusibli

Andrea Fopp,Valerie Wendenburg am 17. November 2023

Künstler*innen sorgen sich um Meinungsfreiheit

Nach der Berichterstattung über den designierten Direktor der Kunsthalle haben über 2000 Künstler*innen einen Solidaritätsbrief unterschrieben. Sie sorgen sich um die Meinungsfreiheit. Und Arbeitsrechtler Thomas Geiser stuft die Aussagen von Regierungspräsident Beat Jans als «heikel» ein.

Weiterlesen
Sämi

<a href="https://www.trust-j.org/12063" target="_blank"><img src="https://www.trust-j.org/fileadmin/templates/layout/img/trustj-logo.png" width="150" /></a>

Bei Bajour als: Frühaufsteher, Mit-Erfinder des Basel Briefings und irgendwas mit Technik. Hier weil: Ich habe zehn Jahre bei Tageszeitungen beim Schrumpfen mitgemacht. Bei Bajour gibt es die Möglichkeit, etwas zum Fliegen zu bringen. Mit einem motivierten Team und einem guten Ansatz, wie Journalismus auch in Zukunft funktionieren könnte.

Davor: bz, 20 Minuten, Radio Basel

Kann: Vermitteln zwischen Techies und dem Rest der Welt, schon früh morgens selbständig gut gelaunte Baselbriefings schreiben, zudem hab ich gerade einen Lauf, was Projektnamen angeht («gärngschee», «Nach dem Piepston»).

Kann nicht: Gesichter merken (also nicht nur so ein bisschen nicht, sondern wirklich ganz ganz schlecht). Liebt an Basel: Mikroklima, Rhein, Menschen.

Vermisst in Basel: See, Berge.

Interessensbindung: Mitgründer & Teilhaber hockeyfans.ch GmbH.

Kommentare