Antisemitisches Video auf Szene isch Basel aufgetaucht

Ein Video auf dem Instagram-Kanal «_szene_isch_basel» zeigt den Angriff auf einen orthodoxen Juden. Kurz darauf ist das Video gelöscht. Wir versuchen, dem nachzugehen.

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Ein Screenshot aus dem Video, das in der Zwischenzeit gelöscht wurde. (Foto: ZVG)

Manchmal ist es in unserer Welt der entfesselten Bilderflut nicht so einfach zu unterscheiden, wo das Grenzwertige ins Unerträgliche kippt. Onlinepranger nach Demonstrationen: hilfreich oder vorverurteilend? Leser*innenfotos bei 20 Minuten: lustig oder voyeuristisch? Prügelvideos auf Instagram: lachhaft, geschmacklos oder persönlichkeitsverletzend?

Der Instagram-Account «Szene isch Basel» verbreitet Videos und kokettiert mit dieser Grauzone zwischen inszenierter und tatsächlicher Gewalt, seit er existiert. Bis die Social-Media-Plattform reagierte. Der Account wurde gelöscht. 

Auf einem neuen Account, der einen fast identischen Namen trägt, war am Dienstag, den 1. September, für kurze Zeit ein Video zu sehen, das nicht in der Grauzone spielt. Das keine ambivalente Lesart zulässt. Es zeigt unverhohlenen Antisemitismus. 

Was auf dem Video zu sehen ist

Das Video zeigt, wie ein Mann auf einen orthodoxen Jude zugeht, der an einem Strassenrand steht. Der Mann tritt dem orthodoxen Juden in den Rücken. Der Angegriffene wehrt sich, dreht sich um und stösst den Angreifer von sich.

Dieser geht weiter und feixt mit dem Blick in Richtung der Kamera. Als der Jude, offensichtlich aufgebracht, dem Angreifer hinterhergestikuliert, tut der so, als würde er nochmals zurückkehren wollen und macht eine drohende Gebärde. Dann geht er aus dem Bild. Der Angegriffene bückt sich, um ihre Tasche aufzuheben. Auf der Aufnahme sind drei lachende Smileys eingefügt. Darunter steht: Heckmeck (ein Slangwort für so etwas wie Wirbel machen, einen Zirkus veranstalten).

Wer die Aufnahme gemacht hat, ist nicht klar. Unklar ist auch, ob die Aufnahme in Basel oder anderswo entstanden ist. Klar ist aber, wo sie kurzzeitig zu sehen war: Auf _szene_isch_basel. Das ist auf einem Screen-Recording, das Bajour vorliegt, eindeutig zu erkennen. Mindestens zwei Follower des Accounts bestätigen ausserdem, das Video ebenfalls gesehen zu haben. 

«Ich habe das Gefühl, dass es symbolisch für die Grenzwertigkeit dieses Accounts steht.🤷🏼‍♂️ »
Instagram-User

Bajour hat die Bildschirm-Aufnahme von einem Leser zugeschickt bekommen. Er schrieb dazu: «Auf ihrer Story war ein Video zu sehen, wie ein offensichtlich jüdischer Mann auf der Strasse von einem Passanten gekickt wurde. Darüber war ich schockiert. Darüber kann man nicht lachen.»

Und weiter:

«Ich bin nicht jüdisch oder pro-Israel oder sowas, aber ich habe das Gefühl, dass es symbolisch für die Grenzwertigkeit dieses Accounts steht.🤷🏼‍♂️ »

Der User schreibt uns auch: «Ich reagiere immer gerne auf Insta-Posts wie diese, weil sie mich einfach wütend machen tbh und ich finde, dass das keinen Platz haben darf. Aber ich habe eure Bajour-Story über Szene isch Basel gesehen und mich etwas gewundert.»

«Das Video ist eindeutig sehr verwerflich und menschenverachtend, wir verurteilen das.»
Dina Wyler, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Jemand, die sich mit solchen Fragen auseinandersetzt, ist Dina Wyler. Sie ist die Geschäftsleiterin der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus GRA und sagt: «Das Video ist eindeutig sehr verwerflich und menschenverachtend, wir verurteilen das. Im Einzelfall müsste vor Gericht geprüft werden, ob das strafbar ist. Man kann das aber strafrechtlich prüfen lassen.»

Die Gesellschaft und vor allem die jungen Leute, die auf diesen Kanälen aktiv sind, sind gefordert, in diesem Fall Gegensteuer zu geben, damit so etwas nicht einfach stehen bleibt. Je mehr Leute solche Videos auf den Netzwerken melden, desto besser.

Wir von Bajour sind auch rassistisch.

Wir versuchen umgehend, das Original-Video zu finden. Am Dienstagabend, 18 Uhr, war es jedoch bereits gelöscht.  

Ein paar Tage zuvor hatte der Betreiber des Szene-Accounts in einer Story verkündet, es gehe ihm nicht darum, Hassrede oder Mobbing zu betreiben. Wir hätten gerne erfahren, warum er das Video gepostet hat. Woher es stammt. Warum er es wieder gelöscht hat. Und ob es eine rote Linie gibt für Content, den er nicht weiterverbreitet. 

Bisher hat er auf keine unserer Fragen reagiert. 

*** Szene isch what? Was es mit dem Insta-Account Szene isch Basel sonst so auf sich hat, liest du hier.

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Themeninputs und Hinweise gerne an [email protected] . Twitter: @dan_faulhaber

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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