So bekämpfen Unternehmen den Fachkräftemangel

Der Mangel an qualifizierten Arbeitnehmer*innen plagt die Region. Die lokalen Unternehmen gehen diese Problematik unterschiedlich an: mit Teilzeitstellen, Jobbörsen und sogar Vereine werden gegründet.

Fachkräftemangel
Alle suchen nach ICT-ler*innen (Bild: pixabay, Illustration: Ernst Field)

In der Hotellerie mangelt es, wie in vielen Branchen, akut an Fachkräften. Um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben, führt die Krafft-Gruppe die Viertagewoche ein, die BaZ berichtete. Die Angestellten arbeiten einen Tag weniger, dafür werden die Schichten so verlängert, dass die Arbeitszeit insgesamt gleich bleibt. Die Mitarbeiter*innen haben diese Option in einer Befragung einer Lohnerhöhung vorgezogen, sagt Catherine Leonhardt, Direktorin des Hotels Krafft und Mitbesitzerin der Krafft-Gruppe.

Die Krafft-Gruppe gibt also den Wünsche ihrer Mitarbeitenden Gewicht. Wie gehen andere Unternehmen das Problem Personalmangel an?

Um was geht's?

Bevor wir mit Lösungsansätzen kommen, werden wir zuerst noch technisch: Was ist Fachkräftemangel?

David Liechti von der Beratungsfirma BSS, Herausbringer des Fachkräfteindex, erklärt es: «Der Fachkräftemangel ist die Situation, wenn es mehr Nachfrage nach einem bestimmten Job-Profil oder einer Kompetenz gibt, als Personen mit der entsprechenden Ausbildung existieren und diesen Job ausüben wollen.»

Für einen Fachkräftemangel gibt es laut Liechti verschiedenste Ursachen. Er nennt derer drei:

  • Die Ausbildung, beziehungsweise unzureichende Ausbildungen könnten einen Fachkräftemangel auslösen. Liechti nennt die Informatikbranche als Beispiel, dort hinke die Anpassung der Ausbildung dem Bedarf der Arbeitgeber hinterher.
  • Der demografische Wandel sei ebenfalls eine Herausforderung. Momentan würden viele Personen in Rente gehen, sodass es an Erfahrungen in gewissen Bereichen fehlen könne.
  • Als weiteres Problem, nennt Liechti sogenannte Verschiebungen oder schockartige Veränderungen. Als Beispiel nimmt er die Gastronomie in der Pandemie. «Viele haben sich umorientiert, jetzt mangelt es an Köch*innen»

Laut einem Paper von Dynajobs, basierend auf Zahlen des Bundesamt für Statistik, soll der Fachkräftemangel der Schweiz in Zukunft noch drastischer werden. Sie gehen davon aus, dass sich die freien Arbeitsstellen jährlich fast verdoppeln. 2021 fehlten 85’000 Fachkräfte. Diese Zahl soll bis 2025 auf 365’000 ansteigen.

«Wenn du JavaScript kannst, ist es egal, ob du Baseldeutsch sprichst.»
Hannes Gassert, Unternehmer

Unternehmer Hannes Gassert setzt auf Teilzeitarbeit. Gassert hat die Web-Agentur Liip mitbegründet, die in Basel und fünf weiteren Schweizer Städten Standorte hat. «Viele moderne Arbeitnehmer*innen wollen nicht mehr 100% arbeiten», erklärt er, man wolle also das Teilzeit-Arbeiten ermöglichen. Ausserdem sei die Integration und Inklusion vielfältiger Arbeitnehmender wichtig. Die Informations- und Kommunikationsbranche ist, laut Fachkräfteindex, am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen. Gassert möchte aktiv dagegen vorgehen. Er ist beim Verein Powercoders aktiv, dieser will Geflüchteten den Einstieg in die ICT-Branche ermöglichen. «Wenn du JavaScript kannst, ist es egal, ob du Baseldeutsch sprichst», kommentiert Gassert.

In der Webagentur Liip herrscht eine holokratische Organisationsform. In dieser werden Hierarchien überwunden und Aufgabenbereiche selbst organisiert. Gassert ist überzeugt, dass das die Zufriedenheit und Motivation erhöht und ein Unternehmen attraktiver für Fachkräfte macht.

In der Finanz- und Versicherungsbranche ist laut Fachkräfteindex der Mangel am zweithöchsten. Die Basler Bankenvereinigung versucht das mit übersichtlichen Jobangeboten zu bekämpfen. Auf der Plattform finjobs.ch werden alle Stellenangebote der Basler Banken ausgeschrieben. Patrick Huber, Geschäftsführer der Basler Bankenvereinigung, meint: «Fachkräfte fühlen sich angesprochen, wenn sie schnell einen Überblick über die verfügbaren Stellen finden.» Laut Huber treffe die Plattform auf Anklang und habe hohe Klickzahlen.

Patrick Huber
Patrick Huber ist Geschäftsführer der Basler Bankenvereinigung und neu gewählter Gemeinderat in Riehen. (Bild: zVg)

Weiter sagt Huber die Banken werden weiterhin lockerer und offener werden, um attraktiv zu bleiben. Die Banken hätten in der Vergangenheit oft ein strenges Image gehabt, mittlerweile sei man kollegialer geworden. «Es gibt nur noch wenige Banken, in denen noch strikt Krawatte getragen wird», ergänzt er. Diese Entwicklung lässt sich beispielsweise in den Stellenausschreibungen der Basler Kantonalbank sehen. Auf der Webseite wird geduzt und ein Motivationsschreiben wird nicht verlangt. «Damit wird für Fachkräfte die Hürde für eine Bewerbung bei der Bank deutlich gesenkt», erklärt Huber zu dieser Entwicklung.

Berufslehre, Förderung, Ü50-Integration

Auch den Arbeitgeberverband Basel beschäftigt das Thema Fachkräftemangel. Er unterstützt mehrere Angebote, die dem Problem entgegenwirken. Zum Beispiel den Verein Familycare. Dieser setzt sich unter anderem mit Betreuungsangeboten dafür ein, dass Familie und Beruf einfacher zu vereinbaren sind. Der Verein betreibt unter anderem eigene Kindertagesstätten.

Das Label iPunkt und das Netzwerk focus50plus werden ebenfalls vom Arbeitgeberverband unterstützt. iPunkt hilft Unternehmen dabei, Personen mit Behinderungen einzustellen und deren Potential zu nutzen. focus50plus fördert Arbeitnehmer*innen über 50 Jahre. Personen, die in diese Kategorien fallen, seien für Unternehmen weiterhin von grossem Wert und können, wenn sie richtig eingesetzt werden, dem Fachkräftemangel gegensteuern, sagt Frank Linhart vom Arbeitgeberverband. Der Verband engagiert sich deshalb auch an der Basler «Stellenkontaktbörse 50plus».

Daniel Schindler, Leiter Kommunikation und PR des Gewerbeverbands Basel-Stadt, streicht noch einen weiteren Punkt hervor: die Lehre. «Das beste, was ein Unternehmen gegen den Fachkräftemangel tun kann, ist Lehrstellen anzubieten», betont er. Auch Patrick Huber von der Basler Bankenvereinigung bedauert, dass es zu wenig qualifizierte Lernende gibt: «Viele der Bewerbenden genügen den Anforderungen nicht. Diejenigen, die genügen würden, gehen in der Regel aufs Gymnasium.»

Ein Problem, das auch das Basler Erziehungsdepartement umtreibt. Basel-Stadt kämpft mit einer hohen Gymnasialquote und einer zu tiefen Abschlussrate. In einem Interview mit der BaZ sagte Erziehungsdirektor Conradin Cramer: «Tatsächlich entscheiden sich bei uns weniger Jugendliche für eine Lehre und besuchen stattdessen eine weiterführende Schule.» Mit attraktiven Lehrstellenangeboten könne man dem entgegensteuern, ist Cramer aber überzeugt.

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