Telebasel legt Praktika auf Eis

Ab Juli gilt in Basel der Mindestlohn von 21 Franken pro Stunde. Regionale Medienunternehmen wie Telebasel und 20 Minuten sind verunsichert.

Praktikum Titelbild
Learning by doing. (Bild: Pixabay & Unsplash, Illustration: Ernst Field)

Der Journalismus hat ein Personalproblem. Jede Woche verlassen zwei Journalist*innen die Branche, wie die Republik für die Schweiz nachrechnet. Auch Basel hat in den letzten Jahren zahlreiche Journalist*innen verloren, viele wurden Mediensprecher*innen (Nicolas Drechsler, früher bz, heute Unispital, wurde letztes Jahr im Branchenmagazin Schweizer Journalist:in sogar zum zweitbesten Mediensprecher des Jahres gekürt).

Der Fachkräftemangel macht die Nachwuchsförderung umso wichtiger. Doch Basler Medien sind im Moment ausgebremst. Telebasel besetzt vorerst gar keine Praktikumsstellen mehr. Und 20 Minuten verkürzt die Dauer der Praktika.

Grund dafür ist das neue Mindestlohngesetz im Kanton Basel-Stadt, dass am 1. Juli in Kraft tritt. Praktikant*innen sind zwar vom Mindestlohn ausgenommen, aber nur für sechs Monate. Danach kostet ein*e Praktikant*in das Unternehmen 21 Franken pro Stunde. Ein Vielfaches davon, was sie heute verdienen.

Chef war auch mal Praktikant

Das können sich Medienunternehmen offenbar nicht leisten. «Wir sind überhaupt nicht glücklich mit dieser Situation», sagt Lukas Hausendorf, Leiter von 20 Minuten Basel. Es sei für ihn nicht mehr möglich, Praktika zu vergeben, die länger als sechs Monate gehen. Das sei ein grosser Verlust, denn für eine Festanstellung sei das Talent eines Praktikanten nach dieser Frist meist noch nicht genug entwickelt.

Üblicherweise verläuft der Weg in die Branche so: Wer Journalist*in werden möchte, macht zuerst mal ein Praktikum von drei bis sechs Monaten. Wer Talent und Einsatzwillen zeigt, kann das Praktikum bis auf ein Jahr verlängern und wird danach vielleicht fest angestellt.

Auch Hausendorf selbst ist so Journalist geworden: «Mein ganzes Team, mich eingeschlossen, hat den Berufseinstieg über ein Praktikum in der 20 Minuten Redaktion Basel geschafft.»

Bei Telebasel herrscht noch Unsicherheit bezüglich der Zukunft der Praktika, wie Chefredaktor Philippe Chappuis sagt. Das Fernsehunternehmen richtet die Ausbildung grundsätzlich neu aus und hat deshalb die Praktika vorerst auf Eis gelegt*: «Stand jetzt hat Telebasel keine Praktikumsstellen besetzt.»

Chappuis hofft, in Zukunft weiter Ausbildungsstellen anbieten zu können, denn auch bei Telebasel gilt: «Der Weg in den Journalismus führt immer über die Praxis». Doch der neue Mindestlohn führt zu Unsicherheiten. Gemäss Gesetz und Verordnung gibt es zwar Ausnahmen: So soll ein 12-monatiges Praktikum möglich sein, wenn der junge Mensch das für die weitere Ausbildung, zum Beispiel an einer Hochschule, braucht.

Facebook post - 8
Werde Praktikant*in!

Bajour sucht dich. Und ja, auch wir beschränken unsere Praktika aktuell auf sechs Monate. Danach gibts aber die Chance auf eine Weiterbeschäftigung als Trainee.

Hopp den Besen

Was das genau bedeutet, ist den Medienschaffenden aber nicht klar. Telebasel-Chefredaktor Philippe Chappuis wartet deshalb auf weitere Abklärungen und Erfahrungswerte.

Zuständig für die Umsetzung des Mindestlohngesetzes ist das Amt für Wirtschaft und Arbeit. Der Verantwortliche, Michael Mauerhofer, verweist auf Anfrage auf das FAQ (Frequently Asked Questions) zum neuen Gesetz. Ausserdem lädt er Arbeitgeber*innen ein, sich bei Fragen zu Einzelfällen ans AWA zu wenden.

Nicht alle Medien leiden unter dem neuen Mindestlohn. Das SRF-Regionaljournal ist beispielsweise nicht betroffen, da es keine Praktika anbietet, die länger als sechs Monate dauern, schreibt Redaktionsleiter Patrick Künzle auf Anfrage. Dasselbe gilt fürs Radio Basilisk. Die BaZ, die wie 20 Minuten ebenfalls zu Tamedia gehört, sowie die bz (CH Media) reagierten nicht auf Anfragen.

«Nein» zur Ausbildungsförderung

Letzte Woche hat der Nationalrat sich mit einer Medienförderung «light» auseinandergesetzt. Drei Monate nach dem nationalen «Nein» zu einer umfassenden Mediensubventionierung (Basel sagte «ja») wollte die vorberatende Kommission «unbestrittene Elemente» doch noch zum Durchbruch verhelfen, schrieb Persoenlich.ch. Darunter auch eine Unterstützung des MAZ, der Schweizer Journalisten*innenschule in Luzern.

Doch der Rat lehnte die parlamentarische Initiative mit mit 92 zu 87 Stimmen und 6 Enthaltungen ab.

Fragezeichen
Und bei euch?

Liebe Basler Unternehmen, wie geht ihr mit dem Mindestlohn um?

Schreibt uns.

*In der Originalversion steht, Telebasel habe die Praktika nur wegen des Mindestlohns auf Eis gesetzt. Das war ein Missverständnis.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Medien Journalismus

Andrea Fopp am 10. November 2023

Unzuverlässige Informationen spalten, glaubwürdige erlauben den Dialog

Journalismus hilft, die Welt zu verstehen. Aber die Medienbranche steckt in einer Krise. Wer profitiert davon? Und weshalb stehen wir alle in der Verantwortung? Ein Kommentar.

Weiterlesen
Baj: #106 Anja Sciarra - 1

Ernst Field am 28. September 2023

Anja Sciarra: «Stillstand ist das ungesündeste»

Die Co-Redaktionsleiterin von Prime News redet mit Ernst Field über den Lokaljournalismus, ihren besten Artikel und ihren Schrebergarten.

Weiterlesen
Das Logo des Tages-Anzeigers am Gebaeude der TX Group und Tamedia an der Werdstrasse, aufgenommen am Donnerstag, 21. September 2023 in Zuerich. Tamedia hat im Rahmen eines Sparprogramms am Donnerstag einen Stellenabbau bei seinen Deutschschweizer Medien angekuendigt. Bis zu 20 Stellen soll abgebaut werden. Bereits am Mittwoch wurde der Abbau von 28 Stellen in der Romandie angekuendigt. (KEYSTONE/Michael Buholzer)

Matthias Zehnder am 25. September 2023

Management by Excel: Stellenabbau bei Tamedia

Tamedia will landesweit sechs Millionen Franken einsparen und baut deshalb fast 50 Arbeitsplätze ab. Der Medienkonzern begründet die Sparrunde mit einem Rückgang bei den Printabos. Bloss: So, wie Tamedia heute rechnet, hätten gedruckte Zeitungen nie rentiert.

Weiterlesen
Von Lehrlingen besetztes Haus in Basel. 28.7.1971

Roland Stark am 16. Mai 2023

«Es gehört zum guten Ton, ein Opfer zu sein»

Heute wird gerne die Mär verbreitet, Auseinandersetzungen in den Medien und der Politik seien konfrontativer geworden. Wer damals dabei war, kann sich über derart nostalgische Beschreibungen nur wundern, findet der ehemalige SP-Präsident Roland Stark.

Weiterlesen
Ernst

Bei Bajour als: «Insta-Typ» & «de mit em Podcast»

Hier weil: Learning by doing der beste Weg ist in den Journalismus einzusteigen

Davor: Studienabbrecher und (immer noch) Podcast Host von «ernsthafte Gespräche»

Kann: Zuhören und Fragen stellen

Kann nicht: Genug Pausen machen

Liebt an Basel: Die vielfältigen Geschichten der Menschen, die hier leben

Vermisst in Basel: Grünflächen in der Innenstadt

Interessenbindung: Vorstand QV-Innerstadt, Moderator «Uff e Punggt» bei der Handelskammer beider Basel

Kommentare