Finde Greta!

Am Samstagnachmittag haben in Basel mehrere Hundert Personen gegen die Finanzierung von fossilen Brennstoffen durch Banken demonstriert. Für die Medien stand dabei im Mittelpunkt: Greta Thunberg.

Greta
Ob sie wollte oder nicht: all eyes on Greta! (Bild: Valerie Zaslawski)

«Es finden gerade Reden statt», sagt Greta Thunberg zu Bajour und wendet sich leicht entnervt wieder der Bühne zu. Die schwedische Klimaaktivistin ist am Wochenende nach Basel gereist, um die Demonstration People’s Parade gegen die Finanzierung von fossilen Brennstoffen zu unterstützen. Organisiert wurde diese vom Forum für Klimagerechtigkeit und Finanzregulierung.

Die mittlerweile 20-Jährige kündigte ihren Besuch am Freitagabend auf Twitter an, kurz danach überschlugen sich die lokalen Schlagzeilen. Es hatte etwas Absurdes, wie die Medien – wir nicht ausgenommen – am sonnigen Samstagnachmittag auf dem Kasernenareal wie Geier um sie herum kreisten, auf der Suche nach einem knackigen Quote oder einem exklusiven Schnappschuss.

Doch der Standpunkt von Thunberg war klar: Sie ist der Sache wegen hier. Interviews wollte sie keine geben. Ihre Begleiter*innen schirmten sie mit Fahnen und Transparenten vor den ihr auflauernden Kameras ab, stellten sich schützend vor, hinter und neben sie. 

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Die Peruanerin Maria Elena Foronda Farro, Direktorin des Umweltinstituts Natura. (Bild: Valerie Zaslawski)

Die Sichtbarkeit möchte Thunberg, die im Juni Abitur gemacht hat (über den letzten Schulstreik berichtete ARD), den anderen überlassen – jenen Menschen, die von noch weiter her angereist waren: den Aktivist*innen aus Süd- und Nordamerika oder Afrika. Diese sogenannte Frontline-Delegation machte darauf aufmerksam, dass Handlungen von Finanzinstituten den Menschen, der Natur und dem Klima schaden (können). Oder in den Worten der Umweltaktivist*innen: Diese Menschen kämpfen tagtäglich gegen die unmittelbare Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen.

So sagt beispielsweise die Peruanerin Maria Elena Foronda Farro, Direktorin des Umweltinstituts Natura, zu Bajour: «Banken und Versicherungsinstitute zerstören unsere Leben in Lateinamerika. Mit fossilen Brennstoffen verschmutzen sie unsere Meere, Menschen werden vertrieben.» Greta gebe ihr Inspiration. Die Goldman-Preisträgerin nennt ihre Anwesenheit einen «Solidaritätsbeweis».

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Chief Na'Moks aus British Columbia Canada. (Bild: Valerie Zaslawski)

Auch Chief Na'Moks ist von weit her angereist, British Columbia Canada (genauer: Wet’suwet’Nation), er sagt: «Wir sollten unsere Mutter Erde lieben.» Die Nachhaltigkeitsbemühungen der Finanzbranche nennt er, der eine Feder in der Hand trägt: «Greenwashing».

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Im Bild (v.l.n.r.): SP-Nationalrätin Sarah Wyss mit Parteikollegin und Grossrätin Edibe Gölgeli. (Bild: Valerie Zaslawski)

Nebst den indigenen Gästen ist unter den schattigen Bäumen auch viel politische Lokal- (und National)-Prominenz anzutreffen. Sie versichern allesamt, dass sie nicht alleine wegen des Besuchs von Greta Thunberg hierhergekommen sind. So sagt beispielsweise die Basler SP-Nationalrätin Sarah Wyss, sie habe schon vor 12 Jahren vor der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) gestanden und sich für stärkere Regulierungen eingesetzt.

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Im Bild (v.l.n.r.): Basta-Grossrätin Tonja Zürcher, Grüne Nationalrätin Sibel Arslan und SP-Grossrat Mahir Kabakci. (Bild: Valerie Zaslawski)

Auch die Grüne Nationalrätin Sibel Arslan, die sich in Bern für indigene Völker stark macht, meint: «Ich möchte den Menschen mit meiner Präsenz Rückendeckung geben.» Basta-Grossrätin Tonja Zürcher ergänzt: «Mit der BIZ ist Basel ein riesiger Player in der Finanzwelt, wir machen uns oftmals klein, tun so, als hätten wir keinen Einfluss.» Doch wir könnten nicht weiter zusehen, wie die Finanzwelt weiter auf den Abgrund zugehe.

Zur BIZ bewegte sich später dann auch die bewilligte Manifestation – mit lauter Musik und bunten Transparenten. Dort wurde dem Deputy General Manager, Luiz Awazu Pereira da Silva, die Petition mit den Forderungen überreicht; diese wurde bereits von 55’000 Personen unterzeichnet.

Die Organisator*innen sprachen von rund 1000 Teilnehmenden, die sich über die Wettsteinbrücke Richtung Bahnhof bewegten, die Polizei von 450. Die Anwesenheit von Greta Thunberg hat bei der Mobilisierung bestimmt geholfen, doch der Grossteil der Menschen stellte den Personenkult um die schwedische Aktivistin in den Hintergrund. Beispielsweise meinte Marco Gyger von Basel Wandel: «Greta ist low profile hier, es gehört dazu, die Menschen nicht auf einen Teppich zu stellen.»

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Die Demo zieht von der Kaserne, über den Claraplatz (im Bild) über die Wettsteinbrücke zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. (Bild: Valerie Zaslawski)

Die Demonstration verlief friedlich, es kam zu keinen Sachbeschädigungen, wie auch die Polizei auf Twitter mitteilte.

Bemerkenswert war, dass noch auf dem Kasernenareal von den Organisator*innen explizit darauf aufmerksam gemacht wurde, dass es einen Aktionskonsens gibt, an den sich alle zu halten haben, sprich: keine Gewalt, kein Steinewerfen, keine Sprayereien. Ausserdem waren sogenannte Peacekeeper*innen in gelben Westen unterwegs, die für positive Stimmung sorgten. Auf Nachfrage bei der Polizei sagt Sprecher Rooven Brucker, dass es sich dabei um keine Auflage handle. Zudem räumt er ein, dass auch die Polizei überrascht war, «dass Basel so interessant ist» und sich Thunberg ebenfalls unter den Demonstrierenden befinden wird, aber: «Es ist eine Kernkompetenz der Blaulichtorganisationen sich an veränderte Situationen anzupassen.» Die Strategie der Polizei sei durch Gretas Besuch nicht beeinflusst gewesen.

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Solidarität statt Pipelines: Die Demonstrierenden trugen auf ihrem Marsch diese Plastikkonstruktion mit sich herum. (Bild: Valerie Zaslawski)

Im Anschluss wollten die Aktivist*innen aus dem Globalen Süden sowie Greta Thunberg übrigens auch Regierungspräsident Beat Jans (SP) einen Besuch abstatten. Wie dieser auf Anfrage bestätigt, sollte es sich dabei um ein spontanes Treffen handeln, welches er selbst initiierte. Seine Idee dahinter: Er wollte zeigen, was Basel-Stadt bereits erreicht hat. So habe man hier den CO2-Ausstoss in den letzten Jahren massiv senken können. Was die Finanzbranche betrifft, möchte er nicht aktiv werden, weder national noch international. Vielleicht könnte man auch sagen: Noch nicht? Beat Jans lacht. Er möchte sich erst nach der Sommerpause dazu äussern, ob er für den frei werdenden Bundesratssitz kandidiert.

Und dann beendet er das Gespräch: «Ich muss für meine Gäste jetzt noch schnell Mineralwasser und Glacé kaufen gehen.»

Gemäss BaZ ist es zumindest am Samstag dann doch zu keinem Austausch mehr gekommen, zu erschöpft und überrascht ob der Medienanwesenheit sollen Thunberg und ihr Team gewesen sein. Dieser wurde am Sonntag noch nachgeholt, wie Jans auf Twitter mitteilte.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde aktualisiert, nachdem Regierungspräsident Beat Jans die Delegation mit der schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg am Sonntag getroffen hatte.

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