So viel Klimawandel steckt im Regen-Sommer

Kaum regnet es mal ein paar Tage stark, melden sich die Skeptiker*innen und fragen hämisch, wo denn die trocken-heissen Sommer seien, wie sie die Klimaforschung voraussagen. Solchen Fragen liegt ein physikalischer Denkfehler zugrunde, schreibt Higgs-Autor Beat Glogger.

Unwetter Basel higgs
(Bild: Keystone/SDA/Patrick Straub)

Wechselhaftes Wetter, viel Regen, Hochwasser: Der diesjährige Sommer ist bisher keiner, der an Hitzerekorden kratzt. Kann ja alles nicht so wild sein mit dem Klimawandel unken nun manche. Die Kolleg*innen von Higgs haben für dich aufgeschrieben, ob hinter den aktuellen Unwettern der Klimawandel steckt.

Es hat heftig geregnet in den letzten Tagen. Überschwemmungen und Erdrutsche unterbrachen Strassen und Bahngleise. Ortschaften wie Engelberg waren von der Aussenwelt abgeschnitten. Und selbst Orte, die keine typischen Gefahrengebiete sind, gaben Alarm. Schwere Schäden gab es letzte Nacht an vielen Orten in der Schweiz.

Ist das der Klimawandel?

Die Antwort ist klar: Nein. Einzelne solche Ereignisse können nicht auf die Klimaerwärmung zurückgeführt werden. Wetter ist variabel, und die Niederschläge sind sogar extrem variabel, wie ETH-Klimaforscher Reto Knutti in einem ausführlichen Thread auf Twitter zeigt.

Aber.

Und auch das zeigt die Klimaforschung: Selbst, wenn die allgemeine Klima-Prognose für die Schweiz in Richtung wärmer und trockener geht, kann es zwischendurch mal sehr heftig regnen. Beziehungsweise, es wird.

Wärmere Atmosphäre nimmt mehr Feuchtigkeit auf

Zuerst ist alles mal einfach Physik: Die menschgemachte, globale Erwärmung verändert die Energiebilanz des Planeten und damit auch den Wasserkreislauf. Die Verdunstung nimmt zu, die Feuchtigkeit des Bodens ab. Dies, weil warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann – pro Grad Celsius sind es ungefähr sieben Prozent. Darum trocknet ein Tumbler die Wäsche.

Das sagt die Physik und das kann man heute an verschiedenen Stellen auf dem Globus deutlich messen: In hohen Breiten nimmt der Niederschlag zu, in den Subtropen ab. Wobei es starke regionale und jahreszeitliche Unterschiede gibt.

Zurück zur Physik: Heute schon sind die Niederschläge zeitlich sehr ungleichmässig verteilt. Global fallen etwa 20 Prozent des Niederschlags in den nässesten zwei Tagen. Und ungefähr 70 Prozent fallen in den nässesten zwei Wochen.

Und die bisher messbare Änderung ist noch extremer: Die Hälfte der Zunahme erfolgt in den nassesten sechs Tagen pro Jahr. Das heisst, es kann allgemein sehr viel trockener werden. Wenn es dann aber regnet, dann so richtig heftig.

Zunahme der starken Niederschläge messbar

Eines der klarsten messbaren Signale ist die Zunahme der stärksten Niederschläge. Das mag fast ein bisschen paradox klingen. Selbst wenn die Sommer trockener werden, nehmen die extremen Niederschläge zu. Das haben die Klimamodelle übrigens schon vor 30 Jahren vorausgesagt, bevor es genügend Beobachtungen gab. Heute ist das praktisch überall in den Daten sichtbar. Auch in der Schweiz nehmen die Starkniederschläge in Häufigkeit und Intensität an fast allen Stationen zu.

Und auch die Variabilität zwischen Tagen, Monaten und Jahren nimmt zu. Das gibt dann Schlagzeilen wie: Der Sommer spielt verrückt. Dabei ist alles erklärbar.

Aber Achtung: eine Zunahme der Häufigkeit führt nicht zwingend zu mehr Schäden oder Opfern. Denn ein Risiko ist definiert durch die Häufigkeit eines Ereignisses mal die Exposition und die Verwundbarkeit. Was wir heute messen: Die Häufigkeit nimmt zu, die Exposition ebenfalls, es steht mehr Infrastruktur in der Landschaft, also Verkehrswege, Einkaufszentren, Tiefgaragen und so weiter, die verwundbar sind.

Signale ernst nehmen

Aber die Verwundbarkeit kann abnehmen – wenn man die Gebäude schützt, Dämme baut, an Seen die Wasserstände regelt. So kann man heute zum Beispiel den Wasserstand im Thunersee über einen Entlastungsstollen bei dem Starkregen absenken, um das Mattequartier in Bern zu schützen. Auch bessere Wetterprognosen und Warnsysteme können helfen.

Alles in allem kann man also nicht ein spezifisches Regenereignis kausal dem Klimawandel zuordnen. Aber man kann eine klare Aussage über den Einfluss des Klimawandels auf die Zunahme von Starkniederschlägen machen.

Und wir müssen die Signale des Wetters ernst nehmen, um auf das Klima von morgen vorbereitet zu sein.

Dieser Artikel ist zuerst am 13. Juli 2021 auf higgs.ch erschienen. Wir durften ihn vom unabhängigen Wissenschaftsmagazin übernehmen – grosses Merci an die Kolleg*innen! Hier kannst du higgs unterstützen.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Karru

Betty Achterberg,Ladina Tschurr am 07. November 2023

Stürmisch, stürmischer, Herbstmesse

Wie geht es den Verkäufer*innen mit dem regnerischen Wetter auf dem Petersplatz? Die meisten wollen sich nicht beklagen, auch wenn sie zwischenzeitlich sogar ohne Dach dastanden. Eine Zwischenbilanz.

Weiterlesen
Eine Demonstration fuer den Internationalen Klimastreik unter dem Motto "Wir haetten Besseres zu tun!" in Basel, am Freitag, 22. Oktober 2021. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

David Rutschmann am 29. September 2023

So viel Einfluss hat der Klimastreik noch

Vier Jahre nach der «Klima-Wahl» sehen viele die Klimabewegung in der Krise. Die Aktivist*innen selbst sprechen davon, dass sie das Denken der Gesellschaft geändert haben. Eine Analyse.

Weiterlesen
Kalimine Joseph-Else Stocamine Giftmüll Deponie

David Rutschmann am 13. September 2023

Französisches Gift macht Basler Klimastreik Sorgen

Der Basler Klimastreik will die Aufmerksamkeit ins Elsass lenken, wo das Grundwasserreservoir von einer Giftmülldeponie bedroht wird. Doch das Umweltamt entwarnt: Die Basler Wasserversorgung tangiert das gar nicht.

Weiterlesen
to-sunbathe-2421968_1920

Ernst Field am 17. August 2023

Geheimtipps zum Abkühlen

Der Sommer ist da und es ist heiss. Wie kannst du dich vor der Hitze retten, ohne dich mit den Menschenmassen in den Badis abgeben zu müssen?

Weiterlesen
Beat Glogger

Die Idee für eine nationales Medium für Wissen hatte ich schon vor 24 Jahren. Damals, als ich Redaktionsleiter des Wissenschaftsmagazins MTW am Schweizer Fernsehen wurde. Es war mir klar, dass Wissenschaft mit all ihren Aspekten mehr als einen Kanal braucht. Denn sie ist seriöse Arbeit, abenteuerliche Entdeckungsreise und viel Spass zugleich. Sie spricht Kinder, Erwachsene, Männer und Frauen gleichermassen an – wenn man die Inhalte für jedes Zielpublikum entsprechend aufbereitet. Nach dem Sprung in die Selbständigkeit probierte ich viele Formen und Formate aus: Video, Print, Live Events, kurze Häppchen und happige Storys. Mit einigem waren wir zu früh – doch jetzt ist die Zeit gekommen, alles an einem Ort zu kombinieren: higgs!

Kommentare