Schränkt die Landratssitzung bei der Wirtschaftskammer die vierte Gewalt ein?

Haus der Wirtschaft (1)
Ein BaZ-Journalist will den Tagungsort des Landrats im Haus der Wirtschaft nicht besuchen.

Der Baselbieter Landrat tagt normalerweise in Liestal. Doch wegen Corona muss er erneut ausziehen – und trifft sich für die nächste Sitzung nicht etwa auf neutralem Boden, sondern im Tagungs- und Eventcenter (TEC) der Wirtschaftskammer Baselland in Pratteln.

Die Wirtschaftskammer, von dieser Zeitung auch schon «so etwas wie das Baselbieter Machtzentrum» genannt, ist mehr als der Dachverband Klein- und Mittelunternehmen. Sie ist Lobbyorganisation, die jeweils ihr genehme Politiker*innen unterstützt, SVP-Gesundheitsdirektor Thomas Weber erhielt 2013 beispielsweise 60’000 Franken in die Wahlkampfkasse

Kein Wunder also, dass der Entscheid der Wirtschaftskammer Kritik auslöst. Dies nicht nur bei den politischen Gegner*innen wie der SP, sondern auch bei den Medien. Aufhorchen lässt vor allem der Tweet von Thomas Dähler, Journalist bei der Basler Zeitung. Dähler berichtet häufig aus dem Landrat, kündigt jetzt jedoch an, er werde nicht an der Landratssitzung im Saal der Wirtschaftskammer teilnehmen.

Der Grund für sein Fernbleiben: Die Basler Zeitung, beziehungsweise der Mutterkonzern Tamedia, befindet sich in zwei Rechtsstreiten mit der Wirtschaftskammer. Es geht um BaZ-Berichte über die Arbeitsmarktkontrollen und die «undurchsichtigen Strukturen der Wika» (Zitat Dähler). Als ehemaliger Leiter der Regionalredaktion vertrat er seine Arbeitgeberin während des Prozesses im Gerichtssaal. Dähler schreibt auf Anfrage von Bajour: «Deshalb erscheint es mir nicht opportun, das Parlament journalistisch zu begleiten, wenn es im Gebäude der Wika tagt. Dies suggeriert unnötigerweise eine politische Nähe der Baselbieter Legislative zu einem umstrittenen Verband.»

Das ist Dählers persönliche Haltung. Die Basler Zeitung wird die nächste Landratssitzung trotz des Orts in irgendeiner Form abhandeln, wie der stellvertretende Chefredaktor Markus Wüest sagt: «Selbstverständlich wird die BaZ über die Sitzungen des Landrats berichten.» Ob BaZ-Redaktor*innen in Fleisch und Blut vor Ort im Wika-Haus anwesend sein oder auf den Live-Stream ausweichen werden, will Wüest aber nicht sagen. 

Ein sachlich-emotionsloser Entscheid

Die BaZ ist nicht die einzige Redaktion im Clinch mit der Wirtschaftskammer, auch das SRF-Regionaljournal befindet sich wegen Berichten in einem Rechtsverfahren. Redaktionsleiter Patrick Künzle will sich aber nicht äussern.

Kritik gibt’s dagegen vonseiten der bz. Politredaktor Hans-Martin Jermann kommentiert, die Geschäftsleitung des Landrats liesse «jegliche Sensibilität vermissen». Der Baselbieter Landrat fälle keine anderen Entscheide, bloss weil er temporär an einem anderen Ort tagt, schreibt Jermann. «Verhängnisvoll ist es dennoch, das Signal, das vom Entscheid für den Tagungsort im ‹Haus der Wirtschaft› ausgeht. Es ist Wasser auf die Mühlen all jener, die in Diskussionen über den Kanton Baselland jeweils lauthals ‹Filz› schreien.»

Landratspräsidentin Regula Steinemann (GLP) sprach in der bz von einem sachlich-emotionslosen Entscheid: Die Geschäftsleitung des Landrats habe gemeinsam mit der Landeskanzlei mehrere Varianten unter die Lupe genommen, das TEC in Pratteln habe dabei am besten abgeschnitten: Gegenüber dem Congress Center in Basel, wohin der Landrat wegen Corona letztes Jahr ausgewichen ist, sei das Gebäude der Wirtschaftskammer «mehrere Tausend Franken günstiger».

Kein Problem sieht auch SVP-Fraktionschef Peter Riebli: «Wir mieten dort einfach einen Saal. Mit dem Eigentümer des Hauses hat das nichts zu tun.»

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Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.
Fotostüdyo Dilek

Bei Bajour als: Teilzeitstudi

Davor: Matur am Gymnasium Bäumlihof

Stundenlang beschäftigen könnt ich mich mit: Velofahrten in langen Sommernächten, griechischem Essen, guten Diskussionen, Handball mit Freund*innen und einem Film-Marathon

Da gehe ich an die Decke: faschistisch angehauchte, rassistisch wirkende, klimaleugnerisch anmutende sexistische Kacke. Rote Ampelphasen und schlechte Schiedsrichter

Das kann ich: mich ab jedem klassischen, amerikanischen Heldenfilm nerven

Das kann ich nicht: loslassen, aufs Maul hocken

Freizeit: Handball und Fasnacht (typische Baslerin halt)

Kontakt: [email protected]

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