Ich gönne YB ja einiges – aber zunächst hoffe ich vor allem, dass der FC Basel den Bernern den dritten Meistertitel in Serie vermiest

Unser Didi-Kolumnist hat den Bernern auch schon die Daumen gedrückt. Mit wenig Erfolg. Er lässt das Daumendrücken heute bleiben und dokumentiert für uns lieber seinen Bildungsstand auf dem Bolzplatz Nr. 1 mit einem ziemlich lustigen Blick in die Geschichtsbücher. Spiel ab.

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Syt 2020 ein Team: Das Didi Offensiv mit dem Bolzplatz und Team Bajour. (Bild: Michi Nussbaumer)

Es gibt diese ewige Diskussion, ob man Schweizer Clubs in internationalen Wettbewerben die Daumen drücken soll, oder nicht. Auf das Gerede hatte ich irgendwann keinen Bock mehr. Deshalb habe ich es einfach mal getan. Ich habe YB die Daumen gedrückt. 

Sehen wirs mal pragmatisch: Es ist besser für den UEFA-Koeffizienten der Schweiz, wenn «unsere» Schweizer Teams international möglichst viele Punkte sammeln. Ja, es kommt auch dem FC Basel zu Gute, wenn «wir» in der UEFA-Fünfjahreswertung vor Ländern wie Zypern, Schottland oder Griechenland stehen und nicht dahinter, wie das aktuell der Fall ist. 

Und warum ist das besser? Weil «wir» dann mehr Teams in die europäischen Wettbewerbe schicken können und diese Teams weniger Qualifikationsrunden spielen müssen, bis sie in die Gruppenphasen der Champions oder Europa League vorstossen. Wenn Bern gut abschneidet, profitiert auch der FC Basel. Und sowieso, als aufgeschlossener Fussballfan kann man doch auch mal über seinen Schatten springen und YB für sein europäisches Abenteuer alles Gute wünschen. Oder nicht?

Der Selbsttest

Am 27. August 2019 war es soweit. YB traf im Rückspiel der Play-Offs zur Champions League auf Roter Stern Belgrad. Das Hinspiel in Bern war 2:2 ausgegangen, obwohl YB die bessere Mannschaft gewesen war. Alles offen also fürs Rückspiel. Ich stellte den Fernseher an, atmete dreimal fest ein und aus, liess die Vernunft über das Herz siegen und drückte YB die Daumen. 

Aber es funktionierte nicht. 

Da war nichts. Keine Emotionen. Keine Enttäuschung über das 1:0 der Serben in der 59 Minute. Beim Berner Ausgleich in der 82. Minute dachte ich nur: «Ok, jetzt wird’s nochmals spannend». Mehr nicht. Immerhin anerkannte ich, dass ein Sieg von YB verdient gewesen wäre, aber das wars dann auch schon.

Ich hadere nicht damit, dass dieses Daumendrück-Experiment in die Hosen ging. Wer in der Champions League spielen will, muss ganz einfach die Super League gewinnen und dann zwei oder drei Runden in der Qualifikation gegen den Meister aus San Marino, Georgien oder dem Südtirol überstehen. So sind nun mal die Fakten. Und darum, zurück in die Gegenwart, ist das Spiel vom kommenden Sonntag gegen YB sehr wichtig. Wer gewinnt, hat das Momentum auf seiner Seite. Ich hoffe sehr, dass der FCB die Berner auf ihrem Weg zum dritten Titel in Serie noch stoppen kann, weil auf dieser Mission haben die Basler schon einmal versagt, wie ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt.

«Ein Teil der Zuschauer meinte, den eigenen Bildungsstand dadurch dokumentieren zu müssen, dass sie das Spiel der Berner mit beständigem Pfeifen und Grölen begleiteten.»
Der Chronist der Zeitung «Football» über die Zuschauermanieren am Match zwischen Bern und dem FCZ am 11. Juni 1911 in Basel.

In der Saison 1910/1911 holten die Berner als erste Schweizer Mannschaft überhaupt das Titel-Triple. Auf ihrem Weg dorthin war der FCB leider kein Hindernis. Die Basler verloren beide Spiele gegen YB und beendeten die Zentralschweizer Gruppe hinter den Bernern und Aarau auf Rang 3. 

Das Auswärtsspiel des FCB in Bern fand am 8. Dezember 1910 bei idealen Bedingungen statt: Gutes Terrain, kühle Witterung. «Was will man noch mehr», schrieb der Chronist der Zeitung «Football». Nur leider waren die Teams nicht willig, sich der tollen Ausgangslage anzupassen. Will heissen: Das Spiel war langweilig. Die beiden Mannschaften seien von einer «eigentümlichen Müdigkeit» befallen gewesen und hätten «kolossal gemütlich» gespielt. 

Vor allem von den Baslern war der Journalist enttäuscht, deren sonst so «vorbildlicher» Kombinationsfussball überhaupt nicht zum Tragen gekommen war. 

YB gewann deutlich mit 4:1 und traf in den Finalspielen auf den FC Zürich als Sieger der Gruppe Ostschweiz und Servette als Sieger der Gruppe Westschweiz. Nach dem 4:1-Sieg der Berner gegen Servette schrieb der «Football»-Chronist am 1. Juni 1911: «Sind das wirklich unsere besten Schweizer Mannschaften und wie ist es denn möglich, dass so spielschwache Mannschaften in ihrer Region an die Spitze gelangen konnten?» Der Chronist war richtig sauer: «Wer die Ehre hat, in einer Championmannschaft zu spielen, soll sich dieser Ehre auch würdig erzeigen und in einem Finalspiel von der ersten bis zur letzten Minute einen frischen Arbeitsgeist an den Tag legen, sonst gehört er eben nicht in eine solche Mannschaft.» 

Apropos «Arbeitsgeist»: Nach Spielschluss kam es noch auf dem Feld zu einem Angriff von Servette-Linksverteidiger Wieland auf den vom BSC Old Boys gestellten Schiedsrichter. Die Polizei musste eingreifen und nahm den Übeltäter in «ihre zärtliche Obhut». 

Ich habe zwar zwei Daumen, aber eben nur ein Herz

Da der FCZ sein Spiel gegen Servette ebenfalls gewonnen hatte, kam es am 11. Juni 1911 zum alles entscheidenden Spiel der Berner gegen Zürich – in Basel. 

Auch das zweite Finalspiel von YB war fussballerisch schwach. Zur Hitze kam diesmal noch die Nervosität der Spieler und ihre Angst vor Fehlern hinzu, protokollierte der «Football»-Chronist. Der Journalist ärgerte sich diesmal nicht nur über die Spieler, sondern auch über die Fans. Ein Teil der Zuschauer glaubte demnach, den eigenen «Bildungsstand dadurch dokumentieren zu müssen […], dass sie das Spiel der Berner mit beständigem Pfeifen und Gröhlen begleiteten», schrieb er am 15. Juni 1911. 

Die Berner besiegten den FCZ mit 1:0, feierten den «Triumph von Basel» und durften nach dem dritten Titel in Folge den Meisterbecher behalten.

Grundsätzlich habe ich nichts dagegen einzuwenden, sollte YB wieder einmal das Meister-Triple schaffen. YB darf in Zukunft gerne auch international wieder mitspielen und dabei bestenfalls auch einmal eine Gruppenphase in der Champions oder Europa League überstehen. Nur, das mit dem Daumen drücken, das lass ich bleiben. Ich habe zwar zwei Daumen, in meinem Herzen aber nur Platz für einen Club. Dem FCB wünsche ich einen gelungenen Start in die Rückrunde und hoffe, er legt dabei einen «frischen Arbeitsgeist» an den Tag und zeigt möglichst wenige «kolossal gemütliche» Spiele.

Meisterbecher 1911 Kopie
Als erstes Team, das die Meisterschaft dreimal in Serie gewann, durften die Young Boys den Meisterbecher dauerhaft behalten.
Benedikt Beni Pfister
Der erste Text auf dem Bolzplatz, der neuen Fussballkolumne auf Bajour, stammt aus der Feder vom Freien Historiker und Geschäftsführer des Didi Offensiv, Benedikt Pfister.
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