Wie wird der europäische Fussball gerettet?

Selbst Klubs wie der FCB stecken wegen Corona in der Krise. Ganz zu schweigen vom Debakel für kleine Vereine. Grundsatz-Überlegungen in der Didi-Offensiv-Kolumne von Raphael Pfister.

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Der ehemalige Champions-League-Qualifikationsgegner des FC Basel, MSK Zilina, musste aufgrund der Corona-Krise Konkurs beantragen. Fussballer verzichten auf ihren Lohn, um Vereine zu retten oder Spieler und Vereine streiten sich öffentlich um Lohnkürzungen. Die Corona-Krise zieht eine Welle von Verschiebungen nach sich, rechtliche Grundlagen des europäischen Fussballs müssen neu erörtert werden. 

Der Corona-Virus zeigt knallhart auf, was eh schon klar war: Der professionelle Fussball ist ein monströses Konstrukt geworden, in dem so unglaublich viele Zahnräder ineinander greifen müssen, damit alles einwandfrei funktioniert. Doch was bedeutet diese Krise für Super League-Vereine? Wird sich viel verändern? Kommt es weltweit zu einer Zerstörung, die schliesslich zu einer Neuordnung des Fussballbusiness führt?

«Treibt die Corona-Krise auch unseren FCB in eine ernsthafte Krise?»

Diese Fragen werden zur Zeit rege diskutiert. Bruno Berner, Trainer des SC Kriens und Fussballexperte bei SRF, sagte im Sportpanorama vom 5. April, dass der Schweizer Fussball profitieren könne, weil die Clubs hierzulande eine solide Nachwuchsausbildung hätten und sich gewohnt seien, junge Spieler aufzubauen.

Das könnte in der kommenden Zeit ein grosser Vorteil sein. In der gleichen Sendung sagte aber Markus Lüthi, Präsident des FC Thun, dass die Kosten für zwei Monate ohne Spielbetrieb regulär gedeckt seien, danach zögen eher wieder dunkle Wolken über dem Verein auf. Und der Sonnenkönig des FC Sion, Christian Constantin, kündigte notabene seinen Topspielern, da diese nicht auf sein Kurzarbeits-Angebot eingingen. Mittlerweile hat er aber wieder einige von ihnen angestellt.

Und ja, auch beim FC Basel ist es ziemlich turbulent. Mich umtreibt im Moment eine grosse Sorge: Ist der Verein wirklich in derart grossen finanziellen Nöten? Kann der FCB mit Geisterspielen bis im September (oder gar bis Ende 2020) in dieser Grössenordnung bestehen bleiben? Den öffentlichen Disput zwischen Geschäftsleitung und Spielern möchte ich hier nicht werten. Er lässt mich aber ratlos mit vielen offenen Fragen dastehen und ich wünschte mir einen geschlossenen und transparenten Auftritt: Treibt diese Corona-Krise auch unseren FCB in eine ernsthafte Krise?

«Da geht grad ziemlich was ab im professionellen Schweizer Fussball.»

Die Corona-Krise hat derartige Auswüchse angenommen, dass sie in die Geschichtsbücher des 21. Jahrhunderts eingehen wird. Da geht grad ziemlich was ab im professionellen Schweizer Fussball. Stimmt nun Bruno Berners Prognose? Wird der Schweizer Fussball profitieren – auch wenn das zur Zeit schon beinahe zynisch klingt? Frei nach Lotthar Matthäus kann nur gerätselt werden: Wäre, wäre – Fahradkette. Wie so vieles in diesen Zeiten sind auch solche Prognosen schwierig zu machen.

Vor allem Vereine kleiner Ligen sind bedroht

Wenn man sich aber das ganze grosse Bild vor Augen führt, fällt auf, dass vor allem Vereine kleinerer Ligen stark von den Match-Einnahmen abhängen. Und wenn die einbrechen, wird es für diese Vereine logischerweise schwierig. Die Schweizer Super League befindet sich in einer strukturell bedingt schlechteren Position. Im Vergleich zu den grossen Ligen sind die Einnahmen durch die Vergabe der Fernsehrechte sehr klein.

Um nochmals die Situation des FC Basel aufzugreifen. Wenn nun selbst Vereine in solch einer Grössenordnung in akute finanzielle Probleme kommen, muss man gesamteuropäisch solidarische Lösungen finden, um diese strukturellen Defizite endlich besser glätten zu können. Denn was wäre der europäische Fussball ohne Vereine wie Stade Rennes, den FC Kopenhagen, Rapid Wien oder Malmö FF?! Er hätte einen grossen Teil seiner Seele verloren.

Im Tagesanzeiger-Podcast „Dritte Halbzeit“ zieht man Fazit und meint, dass in der Schweiz wohl zwei, drei Super League- Vereine einen länger andauernden Stillstand verkraften könnten. Bei vielen anderen Vereinen könnten die ausbleibenden Einnahmen durch zahlende Zuschauer*innen einschneidende Konsequenzen haben. Aber nun scheint sogar auch der FCB stärker betroffen zu sein als man bisher annahm.

Mämä Sykora, zwölf-Chefredaktor, bringt es im bereits erwähnten Sportpanorama ziemlich klar auf den Punkt. Die Schere zwischen den Superreichen und dem Rest sei im Fussball sowieso schon immer grösser geworden und die Corona-Krise würde diesen Umstand nur noch weiter verstärken.

«Wird es keine internationalen 'nights to remember' mehr geben?»

Müssen wir nun also ziemlich pessimistisch davon ausgehen, dass die Super League zukünftig eine noch unwesentlichere Rolle im europäischen Fussball spielen wird? Wird es keine internationalen «nights to remember» mehr geben? Ich persönlich hoffe es nicht. Aber die bisherige Entwicklung zeigt eher in eine Richtung: Immer exklusiver sollen die Wettbewerbe werden und immer mehr Geld soll in immer weniger Taschen fliessen.

Junge Talente erliegen den Verlockungen von Top-Ligen

Genau diese wenigen Taschen sind aber ein grosses Problem. Die Schweizer Super League bildet immer wieder hervorragende Talente aus, die früh den Verlockungen der europäischen Top-Ligen erliegen, statt der einheimischen Liga erhalten zu bleiben.

Vielleicht nützt es dem FCB ja nun wirklich, dass man auf hoffnungsvolle Eigengewächse und Talente setzen kann, statt teuer im Ausland einkaufen zu müssen, so wie es beispielsweise die Premier League machen muss. Die Super League könnte ja tatsächlich zu einer attraktiven Liga werden, die Talente fördert und für noch höhere Aufgaben vorbereitet. Ein Phoenix, der aus der Asche emporsteigt.

Es bräuchte aber eine flächendeckende Beruhigung der unglaublichen Summen, die bereits in Transfers von jungen hoffnungsvollen Spielern fliessen, damit Vereine in der Grössenordnung des FCB längerfristig konkurrenzfähig bleiben. Und es braucht die Bereitschaft von Fussballfans zu akzeptieren, dass ein internationales Spiel des FCB gegen den FC Kopenhagen genau so attraktiv ist wie ein Rendezvous mit Real Madrid. Schliesslich ist es ja immer noch ein Spiel. Egal, was kommt: Y stand zem FCB!

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